Es ist „fünf nach Zwölf“ – Der Ruf nach grundlegenden Veränderungen in der Pflege

Der internationale Tag der Pflege findet jährlich am 12. Mai als Erinnerung an den Geburtstag von Florence Nightingale statt. Sie gilt als eine große Pionierin der Krankenpflege und hat durch ihre zahlreichen Schriften und Statistiken die ersten Pflegetheorien begründet. Durch die Arbeiten von Florence Nightingale bekam der Beruf der Krankenpflege einen positiven und fachlich hochwertigen Stellenwert, der sich von den studierten Medizinern abgrenzt. Florence Nightingale wird auch liebevoll „the Lady with the lamp“ genannt, weil sie im Krimkrieg das Krankenlager der Briten leitete und nachts bei ihren Kontrollgängen die verwundeten Soldaten mit ihrer Lampe besuchte.

Der diesjährige internationaler Tag der Pflege lief unter dem Motto „Fünf nach Zwölf“. An der Demo am Berliner Hauptbahnhof beteiligten sich etwa 300 Pflegekräfte. Es wurde verstärkt auf die aktuelle Situation in der Pflege hingewiesen. Die Teilnehmer der Demo hielten Plakate hoch, auf denen zu lesen war:         

                            „Wir retten Leben – wer rettet uns?“

                            „Die Pflege arbeitet härter als die Politik!“

                            „Leasingmarkt macht uns kaputt!“

Die aktuellen gesetzlichen Neuerungen wurden kritisiert, die Diakonie – Vorsitzende, Frau Andrea Asch, warf der Politik vor, weder die Pflegekräfte noch die pflegenden Angehörigen zu beachten.

Wenn wir nun betrachten, was die Pflege gerade in den letzten Jahren während der Corona-Zeit geleistet hat, und welche Strukturen in den Einrichtungen vorherrschen, ist es erschreckend, zu sehen, dass Einrichtungsleitungen regelrecht dazu gedrängt werden, ihre Einrichtung zu schließen. Immer mehr Leitungskräfte aus dem pflegerischen Bereich berichten, dass die Krankheitsquote sehr stark gestiegen ist. Eine Einrichtungsleitung berichtet, dass sie aufgrund des Nichteinhaltens der Fachkraftquote Klienten habe ablehnen müssen. Ihre Pflegedienstleitung sei im Notfall stets selbst aktiv in der Pflege eingesprungen, damit die pflegebedürftigen Personen versorgt werden konnten. Nun bekommt die Einrichtung einen Mangel von Seite der Heimaufsicht auferlegt, ihre Pflegedienstleitung sei nicht zu den vorgesehenen Stunden aus der Pflege befreit gewesen. Sie muss deshalb eine Strafe zahlen. Nutzt die Einrichtung das Angebot einer Zeitarbeitsfirma, fallen sehr hohe Kosten an. Würde man die Zeitarbeit verbieten, so hat das Institut der Deutschen Wirtschaft in einer Umfrage festgestellt, dass 55 Prozent der Zeitarbeitskräfte die Pflege ganz verlassen würden. Das und viele weitere Aspekte führen zum finanziellen Ruin und zu der Frage: Wie geht es in der Pflege weiter?

Die andere Seite ist die der pflegebedürftigen Personen und deren Angehörige. Klienten, die von den Einrichtungen abgelehnt werden, suchen händeringend nach einer Lösung, denn die Angehörigen sind zum Teil überfordert und leiden unter psychischem Druck, weil sie oft nicht wissen, wie sie mit bestimmten Situationen umgehen sollen. Das führt zum Teil zu verbalem oder handgreiflichem aggressivem Verhalten. Und wer kann es den Angehörigen verübeln? Diese Situation kenne ich selbst, meine Großmutter, die psychisch auffällig ist, benötigt Unterstützung bei der Grundpflege. Der Großvater hat beginnende Demenz und kommt mit seiner eigenen Situation ganz gut zurecht. Er kann die Großmutter bei der Morgenpflege unterstützen. Jedoch das Anziehen ihrer langen Kompressionsstrümpfe ist jeden Morgen ein großer Stressfaktor für ihn. Das führt dazu, dass er ganz aufgeregt ist, unruhig wird und verbal aggressiv reagiert. Dadurch wird auch die Großmutter verbal aggressiv und beide schaukeln sich emotional hoch. Wir haben in der Gegend bei allen ambulanten Pflegediensten angefragt, ob sie zum Anziehen der Kompressionsstrümpfe kommen könnten. Von allen Pflegediensten erhielten wir jedoch eine Absage. Entweder wurde dies damit begründet, dass sie nicht so weit aufs Land rausfahren würden oder keine Fachkräfte für diese Tätigkeit hätten. Und hier schließt sich der „Teufelskreislauf“: Kein Personal, keine Unterstützung. Oder mit den Worten von Andrea Asch: „Altern in Würde ist ein Menschenrecht“ und durch eine Art Teilkaskoversicherung, wie es aktuell in Deutschland der Fall ist, ist dies eine Absage an den Sozialstaat.

Welche Möglichkeiten bestehen nun, um aus diesem Kreislauf herauszukommen?

Die Verbände fordern hier eine grundlegende Veränderung der Strukturen sowie eine Finanzreform. Der Beruf muss auch an der Basis und nicht nur auf dem Papier attraktiver gemacht werden, denn grundsätzlich ist es ein unglaublich schöner Beruf. Die Pflegekräfte, die noch in den Einrichtungen arbeiten, berichten, sie führen den Beruf aus, weil ihnen die zu pflegenden Personen am Herzen liegen. Und darum geht es doch: „Altern in Würde ist ein Menschenrecht“! In diesem Sinn: Herzlichen Dank an alle Pflegekräfte, die mit ganzem Herzen weitermachen.